Wozu ist das Lektorat einer Dissertation sinnvoll?
Bevor an ein Lektorat seiner Dissertation überhaupt zu denken ist, hat sich der Doktorand oft mehrere Jahre seines akademischen Lebens dem Schreiben seiner Doktorarbeit gewidmet. Er hat sich dazu in der Regel in den sprichwörtlichen Elfenbeinturm der Wissenschaft – sei es die häusliche Stube, sei es in die Universitätsbibliothek – zurückgezogen. Bestenfalls hat er ein Doktorandenforum oder -kolloquium besucht, um sich mit Kolleg(inn)en fachlich-inhaltlich auszutauschen.
Aber hat er zum Ende hin wirklich noch den notwendigen inneren Abstand zum Geschriebenen, um es mit der zwingend notwendigen Distanz zu betrachten? Nein! Daher ist es so sinnvoll, einen Außenstehenden die Doktorarbeit noch einmal Korrektur lesen und lektorieren zu lassen. Dieser muss nicht ein Fachmann auf dem erörterten Gebiet sein, wenngleich er natürlich (möglichst professionelle) Erfahrung im Lesen akademischer Texte haben sollte. Ein solches Lesen mit Sinn und Verstand, ohne zu tief im Detail der behandelten Materie drinzustecken, kann am besten Unklarheiten, mögliche Widersprüche und sprachliche Ungereimtheiten aufdecken.
Worum geht es beim Lektorat – und was kann es nicht leisten?
Genau darum hat es bei einem Lektorat einer Doktorarbeit zu gehen. Dieses soll nicht die Grundthese in Frage stellen und direkt in den Inhalt eingreifen, aber dennoch prüfen, ob der Argumentationsgang plausibel und in sich stimmig vorgetragen und entwickelt wird. Kommt der Lektor hier des Öfteren zu einem negativen Ergebnis, dann sollte er nicht eigenhändig inhaltlich in den Text eingreifen, sondern diese Form seiner Kritik als Randkommentar äußern – eher in einer hinweisenden denn den Text von sich aus ändernden Weise.
Das Lektorat trägt aber zuallererst einer anderen Erkenntnis Rechnung, die immer wieder generell von Studenten und Doktoranden beim Abfassen ihrer schriftlichen Arbeiten viel zu gering, wenn nicht gar missachtet wird: dass nämlich der Inhalt und deren sprachliche Form zwei Seiten ein und derselben Medaille sind: In diesem Sinne ist Lektorat immer zugleich auch ein genaues Korrekturlesen, das von der Prüfung der Orthografie über die Interpunktion bis hin zur Grammatik und Syntax reicht. Eine Arbeit mag voller noch so brillanter Ideen strotzen und sogar stilistisch gut formuliert sein, wenn sie von Rechtschreib-, Satzbau- und Kommafehlern wimmelt, wird sie einen erheblichen Punkteabzug erleiden und damit eine wesentliche schlechtere Note bekommen, als es der Inhalt zunächst zu versprechen schien.
Korrektur und Lektorat lassen sich nicht sinnvoll trennen
Insofern stellt ein Korrekturlesen, das neben den orthografischen Missständen auch diejenigen des unkorrekten Satzbaus, falscher Bezüge, eines falschen Konjunktivs – ja auch eines falsch gesetzten oder fehlenden Kommas, das den ganzen Sinn eines Satzes verdrehen kann – abbaut, zugleich auch ein Lektorat, nämlich eine sprachliche Optimierung, der Doktorarbeit dar.
Ist das Lektorat einer Doktorarbeit überhaupt erlaubt?
Ein so verstandenes Lektorat, das nicht in den Inhalt direkt eingreift, das ebenso wenig den individuellen Stil des Autors komplett ändert und dennoch die Dissertation orthografisch, grammatikalisch, formal und damit sprachlich optimiert, ist auch durchaus zulässig. Denn sie stellt ja nicht die Autorschaft/Urheberschaft in Frage und ändert auch nicht den Grundcharakter des Stils, in dem sich der Doktorand auch nach einem gründlichen Lektorat stets wiedererkennen soll.
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